Elektrotherapie / Reizstromtherapie / Neuromuskuläre Elektrostimulation (NMES)

In unserer Praxis können wir unterstützend mit dem Elektrotherapiegerät Stimutur 701 arbeiten, um gezielt Lähmungen im Kopf- und Halsbereich (z.B. Gesichts-, Zungen- und Kehlkopfmuskulatur) zu behandeln.

Infolge von Schlaganfällen, Operationen oder Tumorerkrankungen kann es zu Nervenschädigungen kommen, die die Funktion der entsprechenden Muskeln beeinträchtigen können. Dabei kann der Schweregrad der Störung von einer leichten Lähmung bis hin zu einer vollständigen Bewegungsaufhebung variieren.

Im Bereich des Kehlkopfes kann dies zu einer einseitigen oder beidseitigen Lähmung der Stimmlippen (Stimmbänder) führen. Der fehlende Stimmlippenschluss hat häufig starke Stimmschwierigkeiten (v.a. Lautstärke bzw. Intensität, Belastbarkeit und Stimmklang) als Folge.

Ebenso kann die Artikulation oder Schluckfunktion mit gravierenden Einschränkungen der Verständlichkeit oder der Lebensqualität beeinträchtigt sein.

Nach einer genauen Diagnostik wird mit sehr spezifischen Stromeinstellungen gezielt die gelähmte Muskulatur trainiert. Dieses Training reduziert den Muskelabbau (Atrophie), der sonst nicht genutzten Muskulatur und reaktiviert die beeinträchtigte Nervenfunktion. Unter bestimmten Bedingungen kann dadurch selbst nach längerer Zeit (Jahren) noch eine Funktionswiederkehr ermöglicht werden.


Ablauf der Behandlung

Die Behandlung besteht im Regelfall aus zwei Sequenzen:

  • dem sogenannten Vorwärmen mit geeigneten durchblutungsfördernden Stromformen
  • der eigentlichen neuromuskulären elektrophonatorischen / elektroartikulatorischen Stimulation mit adäquaten Impulsen (NMEPS/ NMEAS) nach Prof. Dr. Dr. Pahn

Dem Patienten werden in der Regel zwei Elektroden angelegt, zwischen denen der Strom fließt. Wenigstens eine Elektrode befindet sich im Bereich der Schädigung. Während des Vorwärmens fließt ein niedrigschwelliger Strom durch das Gewebe, der als leichtes Kribbeln wahrgenommen wird. Während der Übungsphase wird der Reizstrom so eingestellt, dass weitestgehend nur die geschädigte Muskulatur aktiviert wird. Hierbei wird die Stromstärke auf den Wert gesetzt, bei dem eine Muskelkontraktion festgestellt werden kann (motorische Schwelle). Nun wird zeitgleich mit aktiver Bewegung (z.B. Husten, Lautbildung, Sprechen, Schlucken) des Patienten ein Stromimpuls ausgelöst, wodurch die gelähmte Muskulatur aktiviert wird.


Je nach Lähmungsmuster und Schweregrad werden die Reizstromparameter individuell an die Leistungsfähigkeit des Patienten angepasst. Diese Stromparameter unterscheiden sich in der verwendeten Impulsform, der Impulsdauer sowie der Pausenlänge zwischen den Impulsen, wobei letztere durch die Abfolge der Funktionsübungen vorgegeben ist. Bei dem Einsatz der NMEPS werden bewusste Bewegungen vom Patienten ausgeführt, die durch einen über einen Handtaster simultan ausgelösten Reizstromimpuls verstärkt und dadurch neue Bewegungsmuster angebahnt werden. Diese Intentionsübungen sind vor allem auch bei psychogenen Lähmungen und sogenannten funktionellen Restlähmungen angezeigt. Sie stellen ein wichtiges Feedback für das effiziente Wiedereinschleifen der zentralnervösen Regulation dar.

Auch die praktische Durchführung der Elektrostimulation bei Artikulation (NMEAS) richtet sich nach dem Lähmungsmuster sowie dem Schweregrad der Schädigung. Dieser lässt sich mit Messung der Akkommodation oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Ermüdung während der Übung feststellen. Die Ermüdung äußert sich in nachlassender Deutlichkeit der Artikulation. Übungsinhalt sind jetzt Sprachlaute. Im Falle gleichzeitiger Larynxparesen werden diese Schemata zusätzlich benutzt. Räuspern und Einatmung bleiben zur Stimulation beschädigter Sensoren bestehen. Auch Gähnen und Lachen kann in den Takt einbezogen werden, um alle für die Artikulation brauchbaren Bewegungen und Spannungen dieser Muskulatur zu erhalten. Grundsätzlich ist die Behandlung in unserer Praxis 2-3mal wöchentlich im Rahmen der logopädischen Therapie möglich.


Ob ein Einsatz der NMES möglich und sinnvoll ist, wird vorab in einem persönlichen Gespräch abgeklärt.